Gelesene Ausgabe: btb-Verlag (Wilhelm Goldmann) in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München 2003
Lange her. Das Tuch aus Nacht war der erste Roman, den ich von Christoph Peters gelesen habe. Und es ist mir bis heute das Liebste seiner Bücher. Es ist ambitioniert und im nicht idyllischen Sinn poetisch.
Albin Kranz und seine Freundin Livia sind dabei, sich zu trennen, und machen einen letzten gemeinsamen Urlaub in Istanbul. Im gleichen Hotel wie sie steigt eine Gruppe deutscher Kunststudentinnen und Kunststudenten ab. Alle eint das Gefühl der Fremdheit, mich als Leserin inklusive.
Denn die geschilderte Geschichte ist im Wortsinn „verrückt“. Realitäten verschieben sich. Es bleibt in der Schwebe, was real, was phantasiert, was echt, was falsch ist. Die Geschichte wird von zwei verschiedenen Ich-Erzählern, einmal von vorn nach hinten, einmal von hinten nach vorn erzählt. Oder besser: einmal im und einmal gegen den Uhrzeigersinn, sodass die Erzählungen sich immer wieder treffen.
Das erinnert mich an den französischen Philosophen Henri Bergson, der Zeit nicht als Abfolge von Ereignissen sah, sondern als Dauer. Als eine Art See, der mit jedem Lebensmoment weiter anschwillt und sein Mischungsverhältnis ändert. In ihm ist nichts je vergangen, sondern alles immer da. Keine Ahnung, ob das von Christoph Peters so gemeint war, interessant ist dieser Romanaufbau allemal.
Ich finde Das Tuch aus Nacht liest sich wie ein Traum. Kein schöner Traum, kein Albtraum, aber einer, aus dem man um eine Erfahrung reicher erwacht. Grün.
Juni 2021