Gelesene Ausgabe: Carl Hanser Verlag, München Wien 2002
Manchmal denke ich, es gibt zwei Autoren, die Hans Pleschinski heißen.
Der eine Pleschinski schreibt lebensklug und empathisch über deutsche Geistesgrößen: In Königsallee geht es um Thomas Mann, in Wiesenstein um Gerhart Hauptman. Beide haben den Nobelpreis für Literatur erhalten. Der andere Pleschinski schreibt Romane, durch die ein Hauch von „Fluch der Karibik“ weht: Bücher wie Brabant oder Ludwigshöhe haben etwas Anarchisch-Groteskes an sich, das ich nach meinem aktuellen Lesestand so nicht aus der deutschsprachigen Literatur kenne.
Egal, welcher Pleschinski schreibt, seine Bücher machen mir Lesefreude.
Entdeckt habe ich den Autor über seinen Roman Bildnis eines Unsichtbaren. Es handelt sich um ein Abschiedsbuch, eine „Totenklage“ für Pleschinskis langjährigen Lebensgefährten Volker Kinnius, der an den Folgen seiner Aidserkrankung starb. Pleschinski führt, beginnend Mitte der 1970er-Jahre, durch ein Vierteljahrhundert Münchener Künstler- und Homosexuellenszene.
Geistreich. Traurig. Lustig. Persönlich. Gekonnt. Immer in der perfekten Balance zwischen Nähe und Distanz. Unaufdringlich gute Literatur. Grün.
September 2020