Gelesene Ausgabe: Luchterhand Literaturverlag, Verlagsgruppe Random House, München 2019
Ich könnte jetzt sagen, seit ich Herkunft von Saša Stanišić gelesen habe, sehe ich biertrinkende Jugendliche an Tankstellen mit anderen Augen und weiß, dass im deutschen Verwaltungsapparat menschliches Ermessen manchmal über sture Paragraphenauslegung siegt. Das trifft zu und wäre dennoch unzulänglich für diesen Roman, der 2019 mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet wurde.
Mich beeindruckt an Stanišić, mit welcher sprachlichen Leichtigkeit er über seine Flucht vor dem Bosnienkrieg in den 1990er-Jahren sowie über sein Ankommen in Deutschland schreibt. Eine Leichtigkeit, die man nicht mit Harmlosigkeit verwechseln sollte. Wer Herkunft liest und nicht nur drüberliest, erahnt zwischen den Zeilen etwas von den unsagbaren Gründen und Abgründen des menschlichen Daseins. Ergebnis einer Kunst, die nur wenige Schriftsteller beherrschen.
Herkunft von Stanišić ist mal wütend, bitter, mal dem Leben zugewandt und immer voller unbändiger Fabulierlust. Danke. Lesen. Grün.
Oktober 2020