Gelesene Ausgabe: btb Verlag, Verlagsgruppe Random House, München 2018
Es ist mir schwer gefallen, mit dem Buch Dann schlaf auch du von Leïla Slimani zu beginnen. Ermordete Kleinkinder sind nicht unbedingt das, worüber ich in einem Roman lesen möchte. Doch die Anziehungskraft des Prix Goncourt, den Slimani im Jahr 2016 für das Buch erhalten hat, war stärker als meine Skepsis. Die Auszeichnung mit dem französischen Literaturpreis verspricht in der Regel lohnende Leseerlebnisse. Bei diesem Roman trifft das ein weiteres Mal zu.
Dann schlaf auch du erzählt von einem jungen, beruflich erfolgreichen Elternpaar, das seine zwei kleinen Kinder in die Obhut einer scheinbar perfekten Tagesmutter gibt. Der Roman beginnt damit, dass beide Kinder von der Tagesmutter getötet werden, und versucht dann nachzuzeichnen, wie es zu dieser Tragödie kommen konnte.
Über mehr oder weniger alltägliche Begebenheiten gewährt Slimani immer tiefere Einblicke in das Leben der Familie, in das der Tagesmutter und in die französische Gesellschaft.
Obwohl Täter- und Opferrolle von vornherein klar verteilt sind, schwankt man in beide Richtungen immer wieder zwischen Wut und Mitleid. Schonungslos, aber nicht effektheischend in den Schilderungen. Perfekt geschrieben. Grün.
September 2020